Die Entwicklung der Weimarer Hofkapelle hatte zweifellos im klassischen Weimar ihre größte Blütezeit, dennoch etablierte sich bereits im Früh- und Hochbarock zumindest zeitweise – immer an die Regierungszeit eines bestimmten Herrschers gebunden – ein gewisses musikalisches Niveau. Als großer Rückschlag diesbezüglich ist zu konstatieren, dass mit dem Tod des Herzogs Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar im Jahre 1662 die Komponisten Adam Drese, Christan Herwich und Andreas Oswald ihre Anstellung am Weimarer Hofe verloren: Sie hatten als vielversprechende Komponisten für einen kurzen musikalischen Aufschwung bei Hofe gesorgt. Erst 64 Jahre später gelang es, mit Johann Pfeiffer einen auf der Geige virtuosen und kompositorisch fähigen Kapellmeister zu engagieren, der daran anschließen konnte. In der Zwischenzeit war Johann Sebastian Bach in Weimar tätig gewesen – allerdings als Hoforganist und nicht als Kapellmeister. Über seine Behandlung in Weimar lässt sich sagen, dass wohl der nötige Weitblick fehlte, um ihn mit einem attraktiven Amt dauerhaft hier halten zu können. Sicher hat sich Johann Sebastian Bach in Weimar wohl gefühlt – gab es doch eine Hofkapelle mit einem sehr guten musikalischen Niveau, bestehend aus Streichern, Holz- und Blechbläsern. Wie auch in anderen Städten musizierten die Trompeter, Stadtmusiker, Kapellisten, Hautboisten und Waldhornisten bei großen Aufführungen gemeinsam unter der Leitung des Hofkapellmeisters, um eine vollständige Hofkapelle zu bilden. Doch der echte Glanz großer Komponisten, wie ihn Residenzen wie Gotha, Eisenach oder gar Dresden zu der Zeit verstrahlten, wollte in der Barockzeit in Weimar noch nicht so recht aufkommen. Zu klein war das Fürstentum für seine ungeheuren Ausgaben, die für Bauvorhaben und die Hofhaltung vorgesehen waren, und zu schwach die Rolle, die die Musiker darin spielten. Eines dieser Bauvorhaben war das Schloss Belvedere, in dem der prunkliebende Fürst Ernst August von Sachsen-Weimar seinen Vergnügungen nachging und in dem sein Kapellmeister Johann Pfeiffer zu den Divertissements ganz sicher mit von der Partie war. Erwähnenswert erscheinen noch die Reisen nach Holland, die habsburgischen Niederlande und Frankreich, wohin der Musiker seinen Dienstherren begleitete und wo er sich musikalisch inspirieren ließ.
Schloss Belvedere Weimar
Johann Pfeiffer (1697–1761)
Suite in B-Dur
“No: 1.) Overture. / coVVni Ob: Fag: Vla e Basso. / 18. St. / Del Sig. Pfeiffer.“
Sätze: Ouverture, Aria, Cantabile
Entstehungsort: unbekannt
Entstehungsjahr: unbekannt
Johann Pfeiffer (1697–1761)
Konzert in F-Dur für Violino Piccolo
“Concerto Violino Piccolo / Violino primo / Violino secondo / Viola e / Basso / Del Sig. Pfeiffer”
Sätze: Largo, Allegro, Menueto
Entstehungsort: vermutlich Weimar
Entstehungsjahr: vermutlich 1720-1761
Johann Pfeiffer (1697–1761):
Bachs Nachfolger in Weimar
Der gebürtige Nürnberger Johann Pfeiffer (1697-1761) gehört zu den Komponisten, denen aufgrund des weitreichenden Verlustes seines Œuvres in der Nachbetrachtung wohl weniger Ruhm zuteilwird als wahrscheinlich angemessen wäre. Dazu kommt, dass der im deutschsprachigen Raum geläufige Name häufig vorkam und Verwechslungen in der Autorenschaft bis heute problematisch sind. Sein persönliches Signum del. Sign. Pfeiffer trägt leider nur bedingt zur Klärung bei, da seine Namensvetter Franz Joseph Pfeiffer (1733–1802), Joseph Anton Pfeiffer (1776–1859) und Johann Michael Pfeiffer nicht nur Zeitgenossen, sondern ebenfalls Komponisten waren.
Die Anzahl der Werke in den Listen des renommierten Verlagshauses Breitkopf aus den 1760er Jahren weist aber auf eine rege Kompositionstätigkeit und „größere Popularität“ hin:1
Zum einen ist dort ein großes Schaffen von Kammer- und Gebrauchsmusik zu finden. Hervorzuheben sind hier die Violinkonzerte, die „wahrscheinlich für seinen eigenen oder für Herzog Ernst Augusts [von Sachsen-Weimar-Eisenach] geschrieben [wurden], während die Flötenmusik wohl für Markgraf Friedrich [von Bayreuth] gedacht war.“2 Häufig ist in den Violinkonzerten die Violino piccolo vorgesehen, deren Korpus und Mensur kleiner dimensioniert ist und die eine Terz höher liegt. Johann Sebastian Bach verwendete dieses Instrument auch – beispielsweise in seinem ersten Brandenburgischen Konzert. Aber nicht nur die Besetzung der Instrumente verbindet Pfeiffer mit dem späteren Thomaskantor. Insbesondere Pfeiffers Ouvertüren-Suiten – wie die hier vorliegende Suite in B-Dur – weisen ebenfalls eine stilistische Nähe zu den Kompositionen Johann Sebastian Bachs auf, sind in ihrer Besetzung aber sehr unterschiedlich. Die dreisätzige Anordnung der Teile im typischen Zeitmaß-Schema mit einer Eingangsouvertüre im französischen Stil entsprach dem Zeitgeist und brachten Pfeiffer eine hohe Wertschätzung.3
Pfeiffer erhielt sehr früh Violinunterricht „bei verschiedenen Meistern“ und gehörte ab 1720 der Weimarer Hofkapelle an, wo er sich „durch sein ungemeines Spiel und seine vortrefflichen Kompositionen so beliebt machte, daß er 1726 an seinem Geburtstage […] zum Konzertmeister ernannt wurde“.4 Diese Stelle war seit Bachs Abreise aus Weimar 1717 offenbar vakant, sodass Pfeiffer als direkter Nachfolger Bachs in Weimar gelten kann.5
Seinem Dienstherren, Herzog Ernst August, folgte Pfeiffer auf Reisen durch Frankreich und die Niederlande. Für den Tod der Herzogin komponierte er im Jahr seiner Anstellung als Konzertmeister die Trauermusik.
Ausdruck der Anerkennung durch Ernst August erhielt Pfeiffer, indem er eine wertvolle Stainer-Geige aus der Sammlung des Herzogs übereignet bekam.6
Dennoch folgte Pfeiffer nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin 1734 dem Ruf nach Bayreuth und hatte dort die Stelle des Kapellmeisters inne. In dieser Anstellung unter Markgraf Friedrich entstand wohl ein Großteil seiner Instrumentalmusik, aber auch Bühnenwerke wie die Serenate Das unterthänigste Freudenopfer, die zum Geburtstag des Markgrafen 1739 erklang. Erst 1752, also neun Jahre vor seinem Tod, ging er die Ehe mit Dorothea Hagin ein, aus der zwei Söhne hervorgingen. Zuvor verlieh man ihm den Ehrentitel „Hofrat“.7
Tillmann Steinhöfel