An der Schnittstelle vom barocken Herzogtum Sachsen-Weimar zum aufgeklärt-klassischen Fürstentum stehen eine kurze Regentschaft und ein Vertreter der Bachfamilie der Eisenacher Linie, welcher von Johann Sebastian Bach in der Thomasschule Leipzig ausgebildet worden war. Nur zwei Jahre diente Johann Ernst Bach (II) als Hofkapellmeister in Weimar. Vom neunzehnjährigen Herzog Ernst August Constantin im Jahr 1756 dazu ernannt, endete seine Amtszeit bereits 1758 mit dem Tode seines Fürsten – ein tragischer Umstand der Musikgeschichte, hätte Johann Ernst Bach doch mit der Hofkapelle in Weimar noch viele musikalische und kompositorische Projekte umsetzen können. Eine Trauermusik auf den Tod des Herzogs von Weimar ist von ihm überliefert und wirft gemeinsam mit wenigen anderen Werken ein Schlaglicht auf diese kurze Episode. Die ebenso junge Herzogenwitwe, die ihrem jungen Gatten immerhin noch zwei Thronfolger gebar, sollte als Wegbereiterin der deutschen Klassik in die Geschichte eingehen: Anna Amalia von Sachsen-Weimar, die daraufhin die vormundschaftliche Regierung für ihren kleinen Sohn übernahm. Die allseits gebildete Anna Amalia versammelte auf ihrem Sommersitz Schloss Belvedere die geistige Elite des Herzogtums sowie gebildete Besucher um sich und machte den Ort somit zum Hort der Musen. Johann Wolfgang von Goethe war hier ebenso zu Gast wie Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Auch der aus Gotha stammende und von Gottfried Heinrich Stölzel ausgebildete Ernst Wilhelm Wolf gehörte in diesen Kreis. Er war eng mit der Familie Bach und namentlich mit Carl Philipp Emanuel verbunden. Zunächst engagierte die kunstliebende Herzogin Anna Amalia den nur knapp über zwanzigjährigen Wolf als Klavierlehrer. Ab 1761 wurde er Kapellmeister der Herzoglichen Kapelle und somit Nachfolger Johann Ernst Bachs. Seine Stellung bei Hofe war offensichtlich so zufriedenstellend, dass er eine Einladung Friedrichs des Großen, an den Berliner Hof zu kommen, ausschlug. Dort wirkte sein Freund und Kollege Carl Philipp Emanuel Bach. Vom regen Austausch zwischen den beiden Musikern zeugen die Werke Wolfs, die heute zumeist in preußischen Sammlungen überliefert sind.
Schloss Ettersburg
Johann Ernst Bach (1722–1777)
Triosonate g-Moll für Violine und Clavier
“Trio per il Cembalo e Violino”
Sätze: Allegro, Arioso, Tempo di Minuetto
Entstehungsort: unbekannt
Entstehungsjahr: unbekannt
Ernst Wilhelm Wolf (1735–1792)
Clavierkonzert a-Moll
“Concerto per Cembalo, 2. Violini, 2. Oboe, Viola e Basso.”
Sätze: Allegro, Un poco lento, Allegro
Entstehungsort: unbekannt
Entstehungsjahr: unbekannt
Instrument: Hammerflügel Gottfried Silbermann 1749, Kopie Kerstin Schwarz 2013
Ernst Wilhelm Wolf in Weimar oder ein Thüringer, der nicht nach Berlin wollte
In der Nähe von Gotha geboren, zählt Ernst Wilhelm Wolf zur zahlreichen Riege der aus Mitteldeutschland stammenden Komponisten, die an Höfen in Deutschland Karriere gemacht haben. Schon als Kind erwarb Wolf sich Renommee als Cembalist und eine Ausbildung beim Gothaer Hofkapellmeister Gottfried Heinrich Stölzel war daher nur folgerichtig. Während seiner Studien an der Jenaer Universität und als Leiter des dortigen Collegium Musicum wird er auch mit Johann Ernst Bach Bekanntschaft gemacht haben, dem kurzzeitigen Weimar-Eisenachischen Hofkapellmeister und einflussreichen Musiker in Thüringer Gefilden.
Wolfs Freundschaft mit Carl Philipp Emanuel Bach führte ihn auch nach Berlin; allerdings schlug er ein ihm angebotenes Engagement am dortigen Hof aus und zog es vor, sich auf Mitteldeutschland zu konzentrieren. Die Herzoginwitwe und Regentin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach engagierte ihn zunächst als ihren persönlichen Instruktor auf den Tasteninstrumenten, bevor er 1761 zum Konzertmeister der Herzoglichen Kapelle und 1772 schließlich zum Hofkapellmeister ernannt wurde. In Ettersburg als einem Zentrum des Weimarischen Musenhofs wird Wolf häufig präsent gewesen sein und dazu beigetragen haben, dass die Festsäle und der Schlosshof Theater- und Musikaufführungen erlebten. Sein nicht datiertes a-Moll-Konzert für Clavier und Orchester mag durchaus hier erklungen sein, gespielt von ihm selbst oder seiner begabten Schülerin, Herzogin Anna Amalia.
Ettersburg wird Johann Ernst Bach als zwischen den Hofhaltungen Weimar und Eisenach pendelnder Musiker auch besucht haben; das Neue Schloss mit dem Weißen Saal, in dem unsere Aufnahme entstanden ist, war zu seiner Zeit keine dreißig Jahre alt. Seine Sonate für Clavier in Begleitung einer Violine gehört zu einer Form, die letztlich aus der Triosonate entstanden ist: Zwei gleichberechtigte Melodiestimmen konzertieren über einem selbständigen Bass. Einige Triosonaten Johann Gottlieb Grauns sind sowohl als Sonate für zwei Violinen und Basso Continuo überliefert wie auch als Version für Tasteninstrument und Melodieinstrument. Von einigen Gambensonaten Johann Sebastian Bachs weiß man von Fassungen für zwei Melodieinstrumente und Continuo. Die im Laufe der Jahre zunehmende Verschiebung des Gewichts auf den Tastenpart zulasten des Melodieinstruments bereitete den Weg zur klassischen Violinsonate, wie wir sie von Mozart und Beethoven kennen. Johann Ernst Bachs Sonate in g-Moll ist ein typisches Beispiel aus der Frühzeit der Gattung: Die Violine kommentiert das Geschehen im Clavierpart, spielt ganz eigene Linien, ohne notwendigerweise die Ideen des Tasteninstruments zu übernehmen. Damit entsteht ein dichtes Ton- und Gesprächsgeflecht, das die Zuhörenden in seinen Bann zieht.
Gerd Amelung