Mit „vier Pfeiffern, 2 Lauttenschlaegern und eynem Fiedler” beginnt die Geschichte der Altenburger Hofkapelle unter Friedrich dem Großmütigen von Sachsen-Altenburg im Jahre 1456. Damit ist Altenburg nicht nur die Wiege der Fürstentümer Sachsen und Thüringen, sondern auch Geburtsstätte der Musiktradition in Thüringen. In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich die Hofkapelle in Altenburg zu einem steten Begleiter ihres Regenten, viel später auch des Bürgertums, was nicht zuletzt das Bestehen eines Sinfonieorchesters bis zum heutigen Tag beweist. Auch die reiche Ausstattung der Schlosskirche mit einer überaus bedeutenden Orgel des Orgelbauers Johann Gottfried Trost zeigt den hohen Stellenwert der Musik bei Hofe.
Im Jahr 1604 begann mit der Erweiterung der Hofkapelle eine neue Epoche des Musizierens – bereits 1654 umfasste das Orchester zehn angestellte Musiker, welche unter ihrem jeweiligen Hofkapellmeister zu Repräsentationszwecken und bei Feierlichkeiten zu spielen hatten. Die verhältnismäßig große Anzahl an Musikern zeigt, dass das Fürstentum Altenburg durchaus mit den Musikhöfen in Weimar, Rudolstadt oder Sondershausen Schritt halten konnte. Zusätzlich verstärkt wurde die Hofkapelle durch Militärmusiker und Stadtpfeifer. Maßgebliche angestellte Musiker waren zu der Zeit Georg Zöllner, Johann Pflug und Gottfried Scheidt. Die weitere Entwicklung der Hofkapelle im 19. Jahrhundert brachte bei Opern- und Melodramenaufführungen im Schlossgartentheater Hof und Bürgertum zusammen, gespielt von einem voll besetzten Orchester.
Residenzschloss Altenburg
Johann Rosenmüller (1617–1684)
Sonate Nr. 8 in B-Dur
„Sonata Ottava à 4“ aus: „SONATE à 2. 3. 4. è 5. Stromenti da Arco & Altri NORIMBERGA, 1682)“
Entstehungsort: Venedig?
Entstehungsjahr: 1682 (Druck)
Johann Ludwig Krebs (1713–1780)
Sinfonia in c-moll
„Sinfonia Cb / Violino Primo / Violino Secondo / Viola et Cembalo / di / Joh. Lud. Krebs”
Sätze: Allegro non troppo, Adagio non molto, Presto
Entstehungsort: vermutlich Altenburg
Entstehungsjahr: zwischen 1756–1762
Johann Rosenmüller (1617–1684):
Der Thomaskantor, der nie einer war
Als die Stadt Leipzig dem um 1617 in Oelsnitz (Vogtland) geborenen Komponisten Johann Rosenmüller im Jahre 1653 die Stelle des Thomaskantors versprach, hatte sich dieser bereits einen exzellenten Ruf erarbeitet und seit „geraume[r] Zeit des chori musici treulich undt fleißig alhier angenommen“.1 Niemals zuvor in der über 800jährigen Geschichte der Thomaner hatte man während der Amtszeit eines Thomaskantors bereits dessen Nachfolger festgelegt.
Dass es zu dieser Nachfolge Tobias Michaels (Thomaskantor von 1631-1657) nie kam, zeigt die bewegte Geschichte Rosenmüllers, der 1655 plötzlich - quasi über Nacht - unter schweren Vorwürfen nach Italien floh. Die Umstände sind bis heute unklar. Von Päderastie und „sodomistische[r] Knabenschänderei“ war die Rede. Die Begriffe lassen verschiedene Interpretationen zu – so auch homosexuelle Beziehungen mit jungen volljährigen Männern, die altersunabhängig als Knaben bezeichnet wurden – was unter moralischen Maßstäben der Zeit aber nicht als weniger verwerflich galt und laut der Constitutio, dem ersten allgemeinen deutschen Strafgesetzbuch von 1532, mit dem Tode bestraft wurde.23
Bereits vor diesem Bruch hatte Rosenmüller im Winter 1645/46 eine ausgedehnte Italienreise unternommen, während der seine mitteldeutsche musikalische Prägung durch Tobias Michael und Heinrich Schütz neue Impulse bekam – quasi aus dem Epizentrum der italienischen Klangkunst. In Venedig erlernte er den venezianischen Stil, den er schon in Ansätzen von Heinrich Schütz kannte. Dazu gehören auch die Concerto-Modelle, die seine Sonatensammlung Sonate à 2. 3. 4. e 5. stromenti da arco & altri beeinflussten.
Etwa zehn Jahre nach der ersten Italienreise wurde Johann Rosenmüller zum Kapellmeister „von Haus aus“ am Altenburger Hof berufen4 – eine Tätigkeit, die durch die Flucht bereits nach kurzer Zeit ein jähes Ende nahm. Erst mit einer Anstellung 1682 als Hofkapellmeister in Wolfenbüttel – also zwei Jahre vor seinem Tod – wurde ihm zumindest eine symbolische Rehabilitation zuteil.
Trotz seines zweifelhaften „Deliktes“, zählt Rosenmüller zu einer der prägenden Figuren der frühbarocken Musikgeschichte. Seine stilistische Breite, ausgehend von Schützscher Kompositionskunst gepaart mit italienischen Einflüssen, ebnete nicht zuletzt den Weg für den großen Johann Sebastian Bach, der häufig Stücke anderer Komponisten als Vorlage für eigene Werke verwendete, wie beispielsweise den Rosenmüller-Choral „Welt ade! ich bin dein müde“. Dass Bach diesen Choral übernahm, ohne eine einzige Note zu ändern, könnte kaum eine größere Wertschätzung Rosenmüllers darstellen.
Tillmann Steinhöfel